Wiedergabe aus dem Buch “Telefonbau und Normalzeit 1899-1969” zum 70jährigen Firmenjubiläum 1969:
(Linke Spalte mit Faksimile der Handschrift lässt sich groß klicken)
Zukunftsglaube und Pioniergeist haben die Grundlagen für die erfolgreiche Entwicklung unseres Unternehmens geschaffen.
Die in vorliegender Handschrift David Cramers niedergelegten Gedanken waren bestimmend für die von Harry Fuld am 13. April 1899 gegründete Deutsche Privat Telefon-Gesellschaft Harry Fuld & Co.
Der Verfasser David Cramers erkannte schon damals, als sich das Telefon noch im ersten Entwicklungsstadium befand, die weitreichende Zukunft dieser Erfindung und die erforderliche Gliederung des zu gründenden Unternehmens, das der junge Harry Fuld mit bewundernswerter Entschlossenheit und Tatkraft aufbaute.
Alle im vorliegenden Dokument enthaltenen Ideen und Vorschläge sind realisiert worden und haben noch heute volle Gültigkeit. Klarheit und Weitsicht dieser Gedanken sind das geistige Fundament der Telefonbau und Normalzeit. Dieser “Businessplan” ist der wahre Ursprung der TN-Geschichte.
Zum Lesen des Faksimile der Original Handschrift bitte auf das Bild klicken.
Die Telefoneinrichtungen für innerhäusliche Zwecke sind sehr kostspielig, wenn man Apparate und Zubehör von guter Qualität anwendet. Benutzt man Apparate und Material von geringer Qualität, so können sie wohl zu billigen Preisen und Bedingungen her gestellt werden, erfordern aber in diesem Fall fortwährend Reparaturen und Kosten, welche die bei der Konstruktion gemachte Ersparnis auf ein Nichts reduzieren. Die Privat-Telefon-Gesellschaft gewährt ein angemessenes Abonnementsystem, welches die Nachteile wegfallen läßt und jedem die Benutzung des Telefons ermöglicht. Die Gesellschaft macht auf ihre Kosten die gesamte Einrichtung und garantiert die Instandhaltung. Sie hat daher alles Interesse daran, die Einrichtung in vollkommenster Weise zu machen. Der Abonnent zahlt im Verhältnis zu seiner Einrichtung nur einen jährlichen minimalen Betrag. Er hat zu seinen Lasten weder die Ausgaben für Einrichtung noch die Unterhaltungskosten, weder die Kosten für Untersuchung von Betriebsstörungen noch die für Reparaturen und Erneuerung des Materials.
Das jährliche Abonnement beträgt nur
Mark 8 per Apparat für 2 und 3 Apparate
Mark 7 per Apparat für 4-10 Apparate
Mark 6 per Apparat für 11 und mehr Apparate.
In diesen Preisen ist die Verwendung von je 50 Meter Draht per Apparat inbegriffen.
Die Verwendung von mehr als 50 Meter Draht per Apparat, sowie das Anbringen von Ergänzungsapparaten erfolgt gegen Bezahlung eines einmaligen Betrages nach Kostenanschlag; der Abonnementspreis bleibt der gleiche.
Das Abonnement ist für eine Mindestdauer von 3 Jahren berechnet.
Die Einrichtungen, die außerhalb des Bezirkes zu machen sind, in dem die Gesellschaft Agenturen hat, geschehen zu Lasten des Abonnenten, soweit sie Reisekosten betreffen.
Die Gesellschaft besorgt ebenfalls die Einrichtung von Privatlinien, welche untereinander Büros und Magazine, Stadthäuser und Landhäuser, Fabriken und Werkstätten, Schlösser und Nebengebäude usw. in Verbindung bringen, ebenfalls befaßt sie sich auch mit jeglicher Einrichtung von elektrischen Klingeln, Läutewerken usw., sei es zum Kostenanschlag, sei es zum Jahresabonnement unter Verleihung der Apparate nebst Unterhaltung.
Die zu errichtende Gesellschaft erwirbt von der Société Anonyme de Téléphonie privée in Brüssel, der Besitzerin der Weltpatente der Telefonsysteme, die Patente für ganz Deutschland gegen festzusetzende Bedingungen, welche nicht auf Gewährung einer Barsumme oder eines Teils der Anteile der deutschen Gesellschaft basieren, sondern auf einer gewissen Beteiligung am Reingewinn aus allen zukünftigen Transaktionen.
Die in Frankfurt am Main zu errichtende sog. Muttergesellschaft kann mit einem eingezahlten Kapital von M 100 000,- die Stadt und nähere Umgebung mit bis zu 5000 Apparaten versehen, da jeder Apparat incl. Installationskosten nicht ganz 20 Mark erfordert. In Belgien, wo die Gesellschaft seit ca. 18 Monaten besteht, beträgt bis jetzt der monatliche Zuwachs für Brüssel 100 Stück und verzinst sich jetzt schon trotz der größeren Kosten der ersten Zeit das angelegte Kapital mit mit 25-30%. Geld wird nur ausgegeben, wenn Apparate zu kaufen sind, die in Antwerpen von der Telefon Bell Comp. fabriziert werden und so haltbar konstruiert sind, daß Reparaturen fast nie vorkommen.
Nach den ersten 6-12 Monaten, wenn die Rentabilität erwiesen, errichtet die Frankfurter Gesellschaft unter Einteilung in einzelne Bezirke in den verschiedenen deutschen Großstädten selbständige Untergesellschaften, die an die Muttergesellschaft Lizenzen und Anteil am Reingewinn abführen müssen, wenn sie es nicht vorzieht, die Betriebe als eigene Filialen unter Erhöhung ihres Kapitals zu führen. Die kaufmännischen Kosten sind nicht bedeutend. In Brüssel übernahm der kaufmännische Leiter das Büro gegen eine Pauschale von frs 5000 p.a. Zum technischen Betriebe sind keine Maschinenanschaffungen nötig und kann die Einrichtung entweder von einigen eigenen Technikern gemacht werden, oder wird gegen einen festzusetzenden Betrag pro Apparat incl. aller Reparaturen einer respektablen einschlägigen Firma der elektrotechnischen Branche übertragen. Das Ganze ist ein solides Unternehmen ohne nennenswertes Risiko, das das anzulegende Kapital sehr reichlich verzinsen wird.
Filialgesellschaften können errichtet werden:
In Frankfurt am Main für Hessen
Köln für Rheinland
Elberfeld für Westfalen
Straßburg für Elsaß, Lothringen, Luxemburg
München für Bayern I
Nürnberg für Bayern II
Karlsruhe für Baden
Stuttgart für Württemberg
Hannover für Prov. Hannover Braunschweig und angrenzende Bezirke
Berlin für Brandenburg
Hamburg für Hamburg, Lübeck, Mecklenburg
Leipzig für Sachsen I und Thüringen Dresden für Sachsen II
Breslau für Nordostdeutschland
während jede einzelne Gesellschaft Agenturen in den zu ihrem Bezirk gehörenden Städten errichtet, indem sie zuverlässigen Spezialgeschäften gegen Bezahlung eines festen Betrages pro Apparat die Apparate liefert und die Abonnementenlisten selbst führt, sowie die Abonnementsbeträge selbst einzieht.
Sobald es sich lohnt, die Telefonapparate in einer eigenen Zentralfabrik in Deutschland herzustellen, wird der Bezug von der Antwerpener Fabrik eingestellt. Diese Fabrik würde von der Frankfurter Gesellschaft betrieben werden, um die Kontrolle zu haben.